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14.07.2021

Wichtige Neuerungen im Straßenverkehrsrecht zu Beginn der Ernte

-    Bitte unbedingt lesen! -

1. Keine Kontrolle von Freisprecheinrichtungen bei Funkgeräten?
Darüber, dass seit dem 1. Juli 2021 an sich die Pflicht zu Freisprecheinrichtungen bei Funkgeräten gilt, haben wir bereits mehrfach berichtet – zuletzt in der LU aktuell, Ausgabe 07/2021, Seite 5.
Nunmehr hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) den Bundesländern empfohlen, vom sogenannten Opportunitätsprinzip Gebrauch zu machen und keine Kontrollen bezüglich des Vorhandenseins / der Nutzung von Freisprecheinrichtungen bei Funkgeräten durchzuführen.
Von dieser Möglichkeit haben nach unserer aktuellen Kenntnis bislang die Bundesländer Schleswig-Holstein (Aussetzung der Kontrollen bis zum 31.12.2021), Baden-Württemberg (Aussetzung der Kontrollen bis zum 30.06.2022), Bayern (Aussetzung der Kontrollen bis 30.06.2022) sowie Hamburg (Aussetzung der Kontrollen bis zum 30.06.2022) Gebrauch gemacht.
Wie sich die anderen Bundesländer verhalten werden, ist aktuell noch unklar.

Tipp:
Fragen Sie bei Ihrem Landesverkehrsministerium nach, ob und wenn ja bis wann keine Kontrollen stattfinden werden.

Ausblick:
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass einige Bundesländer davon ausgehen, dass bei der nächsten Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) die Pflicht zum Einsatz von Freisprecheinrichtungen bei Funkgeräten komplett und deutschlandweit abgeschafft wird. Dies wäre im Sinne der Praxis.

Fazit:
Die gemeinsame Arbeit der Verbändegemeinschaft war hier trotz langem „Hin-und-Her“ im Ergebnis erfolgreich.

2. Änderung der 35. Ausnahmeverordnung zur Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) nunmehr rechtskräftig
Wie bereits im Rahmen der virtuellen Regionalversammlungen Anfang des Jahres berichtet, hatte der Bundesrat bereits am 18.09.2020 die Änderung der 35. Ausnahmeverordnung zur StVZO beschlossen – allerdings erfolgte lange keine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (BGBl.), so dass die Änderung bislang keine Rechtskraft hatte.
Nunmehr wurde die Änderung aber im BGBl. veröffentlicht und hat seit dem 3. Juli 2021 Rechtskraft.

Was bedeutet das?
Bislang durften land- oder forstwirtschaftliche (lof) Zugmaschinen sowie ihre Anhänger nach der 35. Ausnahmeverordnung zur StVZO 3,00 m breit sein, sofern die über die 2,55 m hinausgehende Breite auf der Bereifung beruht (Breit- oder Zwillingsreifen, Gleisketten – verkürzt dargestellt). Dies war allein von der Bauart der Zugmaschine bzw. des Anhängers als lof abhängig.
Nunmehr hat der Gesetzgeber diese Ausnahme an das Vorhandensein eines lof-Zweckes nach § 6 Absatz 5 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) – also die Zwecke der Führerscheinklassen L und T – geknüpft. Darunter fallen z. B. der Betrieb von Landwirtschaft und Lohnunternehmen, die überbetriebliche Maschinenverwendung oder die Park-, Garten-, Böschungs- und Friedhofspflege.
Werden lof-Zugmaschinen und deren Anhänger außerhalb dieser Zwecke genutzt – z. B. im Straßenbau – dann dürfen sie nur mit einer Bereifung bis 2,55 m verwendet werden oder es ist eine Ausnahmegenehmigung erforderlich.

Hintergrund:
Die Verbändegemeinschaft hatte bereits im Jahr 2018 gegen eine derartige Zweckbindung der 35. Ausnahmeverordnung zur StVZO gewandt und hat dies im Jahr 2020 erneut mit überzeugenden Argumenten getan.
Dennoch hat der Bundesrat nun eine Zweckbindung entgegen der Empfehlung des Bundesratsagrarausschusses, den die Verbändegemeinschaft von ihrem Standpunkt überzeugen konnte, beschlossen. Es handelt sich also um eine eindeutig politisch und nicht fachlich motivierte Änderung.

Bewertung:
Wie die Praxis mit der Änderung umgehen wird, ist derzeit unklar.
Zum Einen ist festzustellen, dass § 6 Absatz 5 FeV keine trennscharfen Definitionen der lof-Zwecke, sondern eine Aufzählung verschiedener Tätigkeiten beinhaltet. So ist z. B. der „Betrieb von Lohnunternehmen“ genannt, die ja auch nach dem geltenden Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) der Lohnunternehmer Dienstleistungen im Baubereich erbringen dürfen. Sind dann also Baudienstleistungen durch Lohnunternehmer von § 6 Absatz 5 FeV erfasst und damit „lof-Tätigkeiten“?
Zum Anderen stellt die Änderung sehr wahrscheinlich einen Verstoß gegen höherrangiges EU-Recht dar, da danach lof-Zugmaschinen und Anhänger über die Bereifung 3 m breit sein dürfen.
Sicher ist daher nur, dass die Änderung zu erheblichen Unsicherheiten und Verwirrungen sowohl bei Kontrollbeamten, als auch Anwendern führen wird. Es ist durchaus gerechtfertigt, die Änderung als „handwerklich misslungen“ zu bewerten.

Empfehlung:
Lohnunternehmer, die sich außerhalb des lof-Bereiches bewegen – z. B. bei Erdtransporten in Baustellen – können entweder die Bereifung wechseln oder eine Ausnahmegenehmigung für Überbreite einholen.
In jedem Fall sollten sich betroffene Lohnunternehmer bei Kontrollen aber sofort in der BLU-Geschäftsstelle melden und gegen etwaige belastende Verwaltungsakte (Bußgelder, Stilllegung usw.) juristisch vorgehen. Die Erfolgsaussichten dafür sind nach dem oben Gesagten durchaus gut.

3. Keine Anhänger zur Güterbeförderung hinter selbstfahrenden Arbeitsmaschinen (sfA)
Aufgrund der Änderung des § 32a StVZO gilt ebenfalls seit dem 3. Juli 2021, dass hinter sfA keine Anhänger zum Zweck der Güter- oder Personenbeförderung mitgeführt werden dürfen. Dies gilt aber nicht für Beförderungen, die ausschließlich der Zweckbestimmung der sfA dienen.
Das heißt, dass z. B. hinter dem Mähdrescher der Schneidwerkswagen, aber kein Anhänger mit Ernteprodukten mitgeführt werden darf.
Auch hiergegen hatte sich die Verbändegemeinschaft im Vorfeld ausgesprochen – leider ohne Erfolg.

4. Schläuche von Reifendruckregelanlagen
Hierzu wurde § 32 StVZO dahingehend geändert, dass bei der Messung der Fahrzeugbreite Schläuche von Reifendruckregelanlagen nicht berücksichtigt werden, sofern sie an beiden Seiten des Fahrzeugs höchstens 70 mm über die größte Breite des Fahrzeugs hinausragen.
Diese, auch von der Verbändegemeinschaft unterstützte Änderung, bringt Klarheit und Rechtssicherheit.

Pirko Renftel, Stand: 14. Juli 2021

Ihr Ansprechpartner

Rechtsreferent und Ansprechpartner NRW, RP/S
Pirko Renftel
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