Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
die Corona-Krise führt zu erheblichen gesetzgeberischen Ausnahmen auch für die deutsche Wirtschaft, über die wir bereits mehrfach und detailliert berichtet haben. Im Anschluss und unter Fortführung an diese bereits erfolgten Mitteilungen beschreiben wir nachfolgend weitere aktuelle Ausnahmen, die für Lohnunternehmer in ihrem betrieblichen Alltag von Interesse sind oder sein können:
Stand der nachfolgenden Informationen: 20.04.2020, 8:00 Uhr.
A. Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz:
Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat am 09.04.2020 eine bundesweit geltende Verordnung zum Arbeitszeitgesetz (ArbZG) erlassen, die Ausnahmen von der bisherigen Rechtslage zulassen.
Diese Verordnung ist am 10.04.2020 in Kraft getreten und tritt am 31.07.2020 wieder außer Kraft (sofern sie nicht verlängert wird).
Wesentliche Inhalte:
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Die Verordnung gilt nur für bestimmte Tätigkeitsbereiche. Dabei sind ausdrücklich die Bereiche „Produktion und Handel von Waren des täglichen Bedarfs“ sowie „Landwirtschaft und Tierhaltung (…)“ genannt. Sofern Lohnunternehmen in diesen Bereichen ihre Dienstleistungen anbieten, sind sie also von der Verordnung erfasst.
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Die tageshöchstzulässige Arbeitszeit (Anmerkung: Das ArbZG bezieht sich immer nur auf die reine Arbeitszeit ohne Pausen) darf auf maximal zwölf Stunden pro Tag (bisher maximal zehn Stunden pro Tag) ausgedehnt werden. Dies gilt aber nur, wenn ► die Verlängerung der Arbeitszeit nicht durch vorausschauende, organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, ► durch Einstellungen oder ► durch sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.
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Dennoch verbleibt es bei der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit von maximal 60 Stunden. Nur in dringenden Ausnahmefällen kann diese überschritten werden, sofern die o. g. Voraussetzungen gegeben sind (und dokumentiert werden können).
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Die Mindestruhezeit zwischen Arbeitsende und Arbeitswiederbeginn kann auf neun Stunden (bisher elf Stunden) verkürzt werden. Als Ausgleich für diese Verkürzung sollen den Beschäftigten innerhalb von vier Wochen entweder eine auf 13 Stunden verlängerte Ruhezeit oder ein freier Tag gewährt werden.
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Das Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot wird gelockert. Nun genügt in den genannten Tätigkeitsbereichen, dass die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Dem betroffenen Arbeitnehmer ist dafür ein Ersatzruhetag innerhalb von acht Wochen und spätestens bis zum 31. Juli 2020 zu gewähren.
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Für alle Ausnahmen gilt im Übrigen, dass diese wegen der COVID-19-Epedemie „zur Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge“ oder „zur Versorgung der Bevölkerung mit existentiellen Gütern“ notwendig sind. Dies lässt sich zumindest für den Bereich der landwirtschaftlichen Primärerzeugung bejahen.
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Die Ausnahmen dürfen zunächst nur befristet bis zum 30.06.2020 (!) angewendet werden. Andere Ausnahmeregelungen vom ArbZG wie z. B. die Möglichkeit für Lohnunternehmen aufgrund eines Beschlusses der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (!), sich als Saison- und Kampagnebetrieb anerkennen zu lassen (Anmerkung: Wer hierzu Fragen hat, der wird gebeten, sich in der BLU-Geschäftsstelle zu melden), bleiben daneben bestehen.
Anmerkung:
Der ganz große Wurf ist das sicher nicht, zumal Lohnunternehmern bereits die Möglichkeit offensteht, sich als Saison- und Kampagnebetriebe (s. o.) anerkennen zu lassen und so für ihre zeitlichen Arbeitsspitzen Ausnahmen von zwölf Stunden Arbeitszeit pro Tag und Arbeitnehmer zu erlangen.
Dennoch bieten die Ausnahmen die Möglichkeit, Arbeitnehmer an fünf Tagen pro Woche jeweils zwölf Stunden arbeiten zu lassen und die Ruhezeiten zu verkürzen. Durch eine Kombination mit der Beschäftigung von Aushilfen sowie derzeit möglichen vereinfachten Arbeitnehmerüberlassungen (siehe dazu unten Buchstabe E. Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnispflicht) können sich so durchaus erheblich verbesserte Optionen für einige Lohnunternehmer ergeben.
B. KfW-Schnellkredit:
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines KfW-Schnellkredits ist neu geschaffen worden. Für diesen neuen Schnellkredit gilt:
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Er kann nur von Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern in Anspruch genommen werden, die mindesten seit dem 01.01.2019 am Markt aktiv sind.
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Die Kredithöchstsummen betragen 500.000 € für Unternehmen bis 50 Mitarbeitern und 800.000 € für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern.
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Die Unternehmen müssen durch die Corona-Krise bedingt vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten geraten sein.
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Die Möglichkeit der Inanspruchnahme ist (zunächst) bis zum 31.12.2020 befristet.
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Bis zum 31.12.2020 kann nur ein KfW-Schnellkredit in Anspruch genommen werden.
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Ein Wechsel vom KfW-Sonderprogramm 2020 zum KfW-Schnellkredit ist ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Kumulierung des KfW-Schnellkredits mit Instrumenten des Wirtschaftsstabilisierungsfonds oder den Programmen der Bürgschaftsbanken.
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Eine Kombination mit den Soforthilfeprogrammen des Bundes und der Länder ist aber möglich. Hier gilt dann aber eine Obergrenze von insgesamt 800.000 €.
Weitere wichtige Vorgaben zu Laufzeit, Zinsbindung, Zinssatz, Bereitstellung und Tilgung sowie zu Ausschlüssen entnehmen Sie bitte
Anlage 1 zu dieser Mitteilung.
C. Einheitliche Arbeitsschutzstandards:
Die Bundesregierung hat am 16.04.2020 einheitliche Arbeitsschutzstandards zur Bekämpfung des Corona-Virus entwickelt, die Sie bitte
Anlage 2 zu dieser Mitteilung entnehmen.
Die Umsetzung dieser Standards wird für deutsche Unternehmen empfohlen. Auch das Bundesarbeitsministerium (BMAS) weist darauf hin, dass die bisherigen Arbeitsschutzstandards in Unternehmen unter Zuhilfenahme der von der Bundesregierung entwickelten neuen Arbeitsschutzstandards entsprechend angepasst werden sollten.
Der Beraterkreis der Bundesregierung wird sich regelmäßig zu den neu entwickelten Maßnahmen austauschen und diese in Abhängigkeit von der Sachlage gegebenenfalls verändern. Der Beraterkreis wird sich hierzu erstmalig am 22.04.2020 austauschen.
Anmerkung:
Natürlich betreffen nicht alle Vorgaben der neu entwickelten Arbeitsschutzstandards Lohnunternehmen bzw. sind auf den betrieblichen Alltag in Lohnunternehmen anwendbar.
Dennoch sollten diese soweit wie möglich umgesetzt und im Unternehmen auch dokumentiert werden.
Dies kann im Fall einer drohenden Quarantäne-Anordnung aufgrund einer Corona-Erkrankung eines Arbeitnehmers hilfreich sein, damit nicht alle Arbeitnehmer der Quarantäneanordnung unterfallen. Kann dann nämlich belegt werden, dass einzelne Mitarbeiter oder Gruppen von Mitarbeitern ausreichende Schutzmaßnahmen konsequent beachtet und durchgeführt haben, so besteht durchaus die Chance – gerade im Hinblick auf den Umstand, dass landwirtschaftliche Lohnunternehmen zur Landwirtschaft gezählt werden und damit auch als systemrelevant gelten – dass im besten Fall nur der erkrankte Arbeitnehmer „in Quarantäne geschickt wird“ bzw. dies nur für einen kleinen Teil der Belegschaft angeordnet wird.
D. Keine telefonische Krankschreibung mehr möglich ab sofort:
Die seit Mitte / Ende März 2020 für Arbeitnehmer bestehende Möglichkeit, sich bei leichten Atemwegserkrankungen für bis zu 14 Tage telefonisch krankschreiben lassen zu können, ohne eine Arztpraxis zu besuchen, endet zum heutigen Tag (= 20.04.2020).
Ursprünglich war diese Regelung bis zum 23.06.2020 befristet. Nunmehr endet diese Ausnahmeregelung aber vorzeitig.
Anmerkung: Gegen die vorzeitige Aufhebung dieser Ausnahmeregelung wird seitens der Ärzteschaft aktuell erhebliche Kritik geäußert. Daher bitte die weitere Entwicklung beobachten bzw. regelmäßig die BLU-Medien sichten.
E. Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnispflicht:
Arbeitnehmerüberlassungen zwischen Unternehmen bedürfen in Deutschland grundsätzlich einer Erlaubnis der zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.
Dies gilt nicht für eine gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Absatz 3 Nummer 2a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), sofern der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung angestellt worden ist. Dennoch macht das Merkmal „gelegentlich“ in der Praxis häufig Schwierigkeiten und führt zu einer eher defensiven Inanspruchnahme dieser erlaubnisfreien Möglichkeit.
Nun hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) zur Klarstellung des Merkmals „gelegentlich“ in der Corona-Krise eine Auslegungshilfe herausgegeben, wonach dieses Merkmal einer erlaubnisfreien, gelegentlichen Arbeitnehmerüberlassung nicht entgegensteht, wenn
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der betroffene Arbeitnehmer der Überlassung zugestimmt hat,
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das (den Arbeitnehmer überlassene) Unternehmen nicht beabsichtigt, dauerhaft als Überlasser von Arbeitnehmern tätig zu sein und
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die einzelne Überlassung zeitlich begrenzt auf die aktuelle Krisensituation erfolgt.
Das BMAS stellt aber ausdrücklich klar, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Unternehmen des Baugewerbes generell nicht erlaubt ist.
Anmerkung:
Die gelegentliche Überlassung von Arbeitnehmern unter Lohnunternehmen ist damit unter Beachtung der drei genannten Voraussetzungen eine gute Möglichkeit, betriebliche Arbeitsspitzen abzufedern bzw. Kurzarbeit, Kündigungen o. ä. bei Auftragsmangel zu verhindern.
So könnte z. B. ein Lohnunternehmer, der im kommunalen Sektor tätig ist und aktuell in diesem Bereich unter Auftragsmangel leidet, an einen anderen Lohnunternehmer, der im Bereich Landwirtschaft tätig ist, einige „seiner“ Arbeitnehmer verleihen.
Dies ist von Vorteil für beide Seiten: Der verleihende Lohnunternehmer vermeidet Kurzarbeit und / oder mögliche Kündigungen, da er die Personalkosten vom entleihenden Lohnunternehmer zumindest ersetzt bekommt. Der entleihende Lohnunternehmer kann seiner saisonalen Spitzenbelastung begegnen und erhält sogar Fachpersonal bzw. mit Lohnunternehmertätigkeiten und im Umgang mit Maschinen vertraute Arbeitnehmer.
Doch aufgepasst: Die gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung muss ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgen. Das heißt, dass der Verleiher nur seine tatsächlichen Personalkosten (= Bruttolohn x 1,22 = tatsächliche Kostenbelastung) zuzüglich einer einmaligen Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 5% auf die Rechnungssumme gegenüber dem Entleiher in Rechnung stellen darf!
F. Steuerfreie Zuwendungen an Mitarbeiter:
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 09.04.2020 ein Schreiben zur Abmilderung der Belastungen der Arbeitnehmer durch die Corona-Krise veröffentlicht, wonach Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern im Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 31.12.2020 nach § 3 Nummer 11 Einkommenssteuergesetz (EStG) steuerfreie Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag in Höhe von insgesamt 1.500 € gewähren können.
Die Gewährung kann in Form von Zuschüssen und / oder Sachbezügen erfolgen. Voraussetzung ist, dass die zusätzliche Gewährung zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt erfolgt.
Anmerkung:
Sofern Kurzarbeit erfolgt, gelten wichtige Sonderregelungen betreffs dieser Ausnahme.
In diesem Fall oder auch, wenn Sie diese Ausnahmemöglichkeit allgemein in Anspruch nehmen wollen, nehmen Sie bitte stets zuvor zwingend Kontakt mit Ihrem Steuerberater und / oder Lohnbüro auf!
Pirko Renftel