Beruf & Bildung
24.01.2017

Bundesministerien teilen Rechtsauffassung des OLG Hamm nicht

Umfang Dokumentationspflichten strittig / Kontrollen ohne Ahndung?
In der LUaktuell, Ausgabe 12/2016, Seiten 20-21, berichteten wir, dass das OLG Hamm das Bestehen der Dokumentationspflichten hinsichtlich Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit von fest angestellten Arbeitskräften auch bei Geltung des Allgemeinverbindlichen Mindest-lohntarifvertrages (MTV) verneint hat.

Fraglich blieb, wie diese im Sinne der Praxis und für Lohnunternehmer gute Entscheidung nun von den zuständigen Bundesministerien umgesetzt werden würde.
In einer gemeinsamen Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) an den GLFA (Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirt-schaftlichen Arbeitgeberverbände e. V.) wird jetzt deutlich, dass die Bundesministerien die Rechtsauffassung des OLG Hamm nicht teilen:

„Die Auslegung der Vorschrift des § 19 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) zur Arbeitszeitaufzeichnungspflicht durch das OLG widerspricht aus Sicht des BMAS dem Wort-laut und der Systematik des Gesetzes sowie dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Das OLG Hamm hat redaktionelle Änderungen, die der Gesetzgeber in § 19 AEntG mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz vorgenommen hat, fehlinterpretiert. Das BMAS hat deshalb entschieden, seine eigene Rechtsauffassung bezüglich der Reichweite der Arbeitszeitauf-zeichnungspflicht nach § 19 AEntG beizubehalten. (…)
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS) wird die Arbeitszeitaufzeichnungspflicht in der Landwirtschaft auf dieser Grundlage weiterhin prüfen. Der Beschluss des OLG Hamm ist hingegen bei der Entscheidung über eine Verfolgung etwaiger Verstöße im Rahmen des Op-portunitätsgrundsatzes nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Land-wirtschaft durch die FKS grundsätzlich zu berücksichtigen.“


Gerade der letzte Satz bedeutet kurz gesagt: Die Arbeitszeitaufzeichnungen nach Beginn, Ende und Dauer von fest angestellten Arbeitskräften werden weiterhin vom Zoll kontrolliert – festgestellte Verstöße werden aber (wohl) nicht sanktioniert. So interpretiert zumindest der überwiegende Teil der Arbeitgeberverbände den letzten Satz der Antwort der Bundesmini-sterien.
Zur Erläuterung: Nach dem Opportunitätsgrundsatz ist die Verfolgungsbehörde nicht ver-pflichtet, ein Bußgeldverfahren einzuleiten und durchzuführen, sondern kann nach pflichtge-mäßem Ermessen entscheiden.
Das schließt eine Verfolgung aber auch nicht ausdrücklich aus. Insofern verbleibt nunmehr eine Restunsicherheit, wie in dieser Sache zukünftig in der Kontrollpraxis verfahren werden wird.

Fazit / Anmerkungen:
  • Der GLFA wird den Allgemeinverbindlichen MTV zum 31.12.2017 kündigen. Ab dem 01.01.2018 gilt damit auch für Lohnunternehmer das Mindestlohngesetz (MiLoG) direkt. Das hat zur Folge, dass dann die Dokumentationspflichten der Arbeitszeit von fest ange-stellten Arbeitnehmern nach Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit faktisch entfallen. Der Rechtsstreit zwischen BMAS und GLFA betrifft damit aus Lohnunternehmersicht praktisch nur noch den Zeitraum bis zum 31.12.2017.
  • Aktuell sind nur wenige und eher sporadisch erfolgende Kontrollen des MiLoG und der damit verbundenen Arbeitszeitaufzeichnungen bei Lohnunternehmen festzustellen. Selbst wenn die Kontrollen des Zolls gesteigert werden sollten, so bestehen im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Hamm sowie der Antwort der Bundesministerien gute Aussichten, auch bei Verstößen im Ergebnis kein Bußgeld zu erhalten.
  • Es ist zu hoffen, dass der Rechtsstreit zwischen BMAS und GLFA rein akademischer Natur bleiben und im Verlauf des Jahres 2017 nicht auf dem Rücken der klein- und mit-telständischen Betriebe ausgetragen werden wird.
Pirko Renftel
Bildquelle: sassi / pixelio.de